"Yes, Sir! Your country?" - Englischkurs fuer Indienreisende

Rajasthan ist die Heimat einiger Dinge, die man typischerweise mit Indien assoziiert: bunte Turbane, imposante Forts und Palaeste der Maharadjas, Elefanten, Kamele und die Wueste. Und gerade deshalb ist es eines der wichtigsten Tourismusziele dieses riesigen Landes. Und das wissen die geschaeftstuechtigen Rajasthani ebenso wie wir.

 

Karin beim Stoffhaendler"Yes, Sir!" - "?!?" - "Come here, Sir!" - Nein, das ist kein Kasernenhofdiskurs, sondern Touristenalltag in Rajasthan. Da wird nicht lange gefackelt, die Strassenverkaeufer kommen gleich zur Sache. "Want ...?" (nach Belieben Rickshaw, Teppich, Puppe, Taschentuch, T-Shirt, Haschisch, Cola etc. einfuegen...) -"No thanks" (...und nur nicht stehen bleiben!) - "Special price for you, friend!" - Aber natuerlich doch. Einfach nur weiter gehen. Manche sind schnell abgeschuettelt. Problem: fuenf Meter weiter vorn steht bereits sein Kollege. "Yes, Sir!" - "Hmpf!"

Doch ganz ohne Shopping kommen auch wir nicht weg. Immerhin ist Jaipur bekannt fuer seinen Edelstein- und Silberhandel. Karin hatte bereits aus der Schweiz eine Adresse mitgebracht, wo sie sich mit Silberperlen eindecken wollte. So zogen wir los, um uns unbekannte Mengen Silber aufgetuermt zu bekommen. Tatsaechlich handelte es sich um einen Grossisten, der hauptsaechlich Export betreibt. Das sollte unser Glueck sein. Die geschaeftstuechtige Tochter des Hauses jagte ihren Gehilfen ununterbrochen von einem raumhohen Tresor zum andern. Sackweise stapelte er die Silberperlen vor uns auf dem Pult, waehrenddem Karin versuchte, den Ueberblick zu bewahren, was sie denn ueberhaupt wollte. Als das Geschaeft endlich unter Dach und Fach war, zogen wir zufrieden von dannen. Erst ein paar Tage spaeter stellten wir fest, dass Karins Travelerchecks verschwunden waren. Nicht so gaebig, wollten wir doch am naechsten Tag weiterreisen. Da Karin mit der Haendlerin die Mailadresse ausgetauscht hatte, begaben wir uns schnurstraks zum naechsten Computer. Und siehe da: die Frau war nicht nur geschaeftstuechtig, sondern auch ehrlich und nett. Noch am selben Tag hatte sie uns eine Mail geschrieben, dass die Checks zusammen mit ein paar Dollars Cash bei ihr liegen geblieben seien!

Strassenkreuzung in Jaipur

Zusammen mit zwei im Hotel angetroffenen Touristen zogen wir los, um die Sehenswuerdigkeiten der Umgebung Jaipurs abzuklappern. Wir benoetigten tatsaechlich nur ca. 1.5h, um uns mit einem Fahrer ueber den Preis zu einigen, der gleichzeitig auch ein Gefaehrt besass, das der Herausforderung gewachsen war. Zusagen kriegten wir zwar jede Menge. Aber entweder stimmte der Preis nicht, der Motor gab nach ein paar hundert Metern auf oder der Kerl wollte die Bedingung "no shopping" nicht akzeptieren - hier haette er bei jedem Haendler, zu welchem er uns fuehrte, eine saftige Provision eingestrichen. So kurvten wir schliesslich etwas verspaetet und erhitzt durch die verstopften Gassen der Altstadt, und bald erreichten wir die etwas weniger befahrenen Strassen ausserhalb der Stadt.

Auf unserem Plan standen zahlreiche Palaeste, Tempel und Forts. Hin und wieder goennten wir uns den Luxus eines Fuehrers, der uns durchaus interessante Details aus der Geschichte der historischen Bauten verriet. So besichtigten wir im Tigerfort die ehemaligen Gemaecher des Maharadjas, wo uns genau erklaert wurde, weshalb alle sechs Appartements zur Linken und zur Rechten des Innenhofes identisch aufgebaut waren: es waren die Gemaecher seiner neun Frauen und Geliebten. Um Streitigkeiten und Eifersuchtsszenen zu vermeiden sollten sie alle genau gleich behandelt werden. Zusammen mit den rundherum angebrachten versteckten Gaengen fuer den Herrn des Hauses und der Einsichstmoeglichkeiten von oben herab erinnerte das Ganze aber fast schon an goldene Fesseln.

Torbogen im Tiger-Fort (Jaipur) Prunkvoller Saal im Palast von Jodhpur

Elefanten am Umzug in JaipurZur Zeit unseres Aufenthaltes war Ganesha, Geburtstag des populaeren Gottes mit Elefantenkopf. Zu diesem Anlass fanden im ganzen Land Umzuege statt. So auch in Jaipur. Schon Stunden vor dem Umzug entstanden alle paar Meter kleine improvisierte Tempel, wo dem Gott gehuldigt wurde. Die Glaeubigen brachten tonnenweise Reispuff, erhielten im Gegenzug aber auch was kleines zu Knabbern.

Wir stiegen auf ein Vordach, um der erdrueckenden Menschenmenge auf der Strasse zu entkommen. Kein schlechter Entscheid, bot sich doch von oben auch ein etwas besserer Blick auf den Umzug. Dieser wurde angefuehrt von einer Gruppe geschmueckter Elefanten. Vor uns auf der Strasse schien der Verpflegungsposten zu sein. Nicht nur fuer die anwesenden Leute, sondern auch die Tiere. Diese wussten sehr genau zu unterscheiden, was sie mit ihren Ruesseln auflesen: Geld und schlecht Verdauliches wurde dem Elefantenfuehrer hochgereicht, waehrend die Bananen gleich im Rachen verschwanden.

Blasmusik beim Umzug in JaipurNach den Elefanten folgten Gruppen von Kamelen und Pferden. Dann war leider Schluss mit Tieren. Dafuer folgte eine Kolonne von nicht weniger als ca. 70 mehr oder minder bunt geschmueckten Lastwagen, auf welchen Ganesch, seine Mutter Parvati, Vater Shiva und die ganze Goetterverwandschaft geehrt wurden. Damit all die Beschallungsanlagen, Lichter und Wasserpumpen (auf Shivas Haupt soll der heilige Fluss Ganges entspringen) einwandfrei funktionierten, fuehrte jeder Wagen eine Velorikshaw im Schlepptau, auf deren Ladeflaeche ein immenser, laermiger und entsprechend stinkiger Generator die gut gemeinten Bemuehungen der begleitenden Marschmusik zunichte machte.

 

Drei Milchmaenner auf dem Markt von BundiGleich von Anfang an waren wir von der tatsaechlich farbenpraechtigen Bekleidung der Radjasthani ueberrascht. Die Turbane der Maenner und manchmal schon aetzend bunten Kleider der Frauen sind hier nicht nur einfach Sonntagsschmuck, sondern Alltagskleidung. Mit der Zeit lernten wir auch ein Minimum der Bedeutung, die einem Turban beigemessen wird, kennen. Und die Maenner sind stolz auf ihren Kopfschmuck. Drei Milchmaenner, die eben ihre vollen Kessel per Fahr- oder Motorrad vom Land in die Stadt zum Markt gefahren hatten, posierten selbstbewusst vor unserer Kamera. Natuerlich nicht ohne vorher auch den Schnurrbart noch sauber gezwirbelt zu haben.

Tatsaechlich erleben wir hier, was ich bisher auf Reisen kaum erlebte: Leute wollen vor die Linse, und dies nicht nur fuer Geld. Warum? Weil es die netten Digitalkameras erlauben, das Bild gleich voller Stolz zu betrachten.

Fledermaeuse im PalastVon Bundi hatten wir schon im Fuehrer gelesen, dass es viel mehr bekannt sei fuer den Palast an und fuer sich als fuer die Millionen (aehem, aehem...) Fledermaeuse, die darin wohnen. Tatsaechlich konnten wir abends beobachten, wie ein nicht enden wollender Strom dieser Tiere Richtung umliegender Gruenflaechen verschwand. Als Michi dann nachts im Bett immer mal wieder Flattergeraeusche wahrnahm, war ihm bald einmal klar: das sind nicht Muecken, sondern viel mehr deren Jaeger. Eine gute Sache. Nur scheinen selbst die auf Nachtsicht optimierten Flattermaenner die Geschwindigkeit unseres Dachventilators nicht optimal einschaetzen zu koennen. Der Gedanke, morgens mit einer zerstueckelten Fledermaus im Bett zu erwachen, behagte uns nicht so sehr. Also machten wir uns auf, ihnen die Freiheit wieder zu schenken. Gar nicht so einfach, wenn man bedenkt, dass theoretisch alle Fenster mit Moskitonetzen verschlossen sind... Mit etwas Licht und seinen Schlarpen erledigte Michi den heroischen Akt jedoch formidabel.

Jaisalmer im Abendlicht (knapp verpasst...)Jaisalmer, letzte Station vor der grossen Thar Wueste. Wir erwarteten, wie es sich fuer einen solchen Platz gehoert, Hitze, Trockenheit und wenig Wasser. Die Ankunft war dann auch erst mal erschlagend: bei 38°C im Schatten wagten wir uns erst in den spaeten Abendstunden an den "Aufstieg" zum Fort. Tatsaechlich praesentiert sich dieses noch viel lebendiger, als die bisher besuchten, da es noch bewohnt ist. Michi erinnerte dieser erste Besuch jedoch viel mehr an eine grosse, viel zu eng geratene Einkaufsstrasse. "Yes, Sir!" - "No Sir!!!". Die Gassen sind vollgepfropft mit Geschaeften, die Souvenirs und Erfrischungen anbieten. Die historischen Gebaeude und Tempel gehen darin beinahe unter.

Wir besuchten das Fort daher auch etwas aufmerksamer und entdeckten idyllische Gaesschen, Palaeste und Restaurants. Die Ministerhaeuser waren besonders reich geschmueckt und beeindruckten durch ihre Steinhauer-Arbeit. Bajonettverschluesse, um Zierblumen an Torbogen zu befestigen, Lego-Bauweise fuer die tragenden Mauern und fein aus Sandstein geschnitzte Fenster konnten sich nur die Reichsten leisten.

Filigrane Sandsteinschnitzereien (Haveli) Haveli-Fenster

Essplatz mit AussichtDoch bald einmal bestaetigten wir unseren hart erarbeiteten Ruf als Regenmacher. Nachdem die Umgebung seit mehreren Jahren unter einer aussergewoehnlichen Trockenperiode gelitten hatte, zogen mit uns die schwarzen Wolken auf. Auf den Dachterrassen der Restaurants sassen wir bis anhin immer moeglichst exponiert, um von kuehlenden Windstoessen profitieren zu koennen. An diesem Abend zwang uns der tobende Sturm jedoch, Tisch und Stuehle schleunigst unter den Arm zu packen und uns in Sicherheit zu bringen. Die ueberhaupt nicht auf Niederschlaege vorbereiteten elektronischen Installationen in den Gassen Gaben bald zischend und Funken spruehend den Geist auf.

Unsere Kamelsafari fiel tatsaechlich etwas ins Wasser. Wir genossen jedoch den merklichen Temperaturrueckgang, der v.a. Michis Fluessigkeitshaushalt wieder etwas normalisieren half. Dennoch zogen wir es vor, unsere Reise fortzusetzen und in den kuehleren Sueden des Landes zu ziehen. Wir sparen nun mindestens eine Waesche und viele, viele Cocis pro Tag.

 
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