Unterwegs in Ladakh

Aprikosen, Lastwagen, Buttertee und Gompas - ein bunter Mix Erlebnisse im noerdlichen indischen Himalaya.

 

Camp 4700m (Rumtse - Tsumoriri Trek)Noch immer sind wir in Leh, im Herzen Ladakhs, umgeben von 6000ern des indischen Himalayas. Oder besser gesagt, wieder. Natuerlich waren wir unterwegs, zum Trekken. Als ersten Trek hatten wir uns gleich einen etwas heftigen ausgesucht: in 10 Tagen wollten wir durch Weidelandschaften der letzten Nomaden Ladakhs, ueber 5400m hohe Paesse und vorbei an Salzseen ziehen. Doch schon was wir am zweiten Tag und v.a. auch in der Nacht auf ueber 4600m erlebten, liest sich wie die uebliche Checkliste fuer Hoehenkrankheit: Uebelkeit, Atemlosigkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit. Dazu gesellten sich in der Nacht auch noch ganz interessante Traeume... So beschlossen Karin und ich, das Unternehmen abzubrechen, da ihre in Delhis klimatisierten Raeumen aufgelesene Erkaeltung sich schlecht mit der zusaetzlichen Belastung dieser Hoehe vertrug.

Rumtse Yaks (Rumtse - Tsumoriri Trek)

La collection de pillules pour Karin / Karins PillensammlungZurueck in Leh empfahl man uns einen einheimischen Arzt. Karin gab der tibetischen Medizin gerne eine Chance, bevor sie zu Hammer-Medikamenten, wie wir sie halt mit uns fuehren, greifen muss. Ein Moench, der eben auch zu Besuch in unserem Guesthouse war, notierte uns Adresse und Name des Arztes - leider in Hindi. Er erklaerte uns grob den Weg, meinte wir sollten einfach den Zettel einem Einheimischen zeigen, und dann ginge das schon. Am naechsten Morgen um halb elf sei er da. Und tatsaechlich: als wir am naechsten Tag verloren in einem Hinterhof stehend jemanden suchten, um unseren Zettel zu zeigen, trafen wir da tatsaechlich "unseren" Moench an. Er fuehrte uns zum Arzt. Da verstanden wir auch, warum er auch da sein wollte: der Arzt sprach kein Wort englisch. Karin beschrieb ihr Problem, der Moench uebersetzte, und der Arzt lauschte dem Puls, ein Mal am linken, ein weiteres Mal am rechten Handgelenk. Das reichte, um Karin drei verschiedene Geissenboelleli zu verschreiben, die sie fortan drei mal taeglich mit "boiling water" zu sich zu nehmen haette. Warten wir's also ab.

Die gruene Insel bei Hemisgam

Nach diesen paar Tagen Erholung in Leh draengte Karin wieder zum Aufbruch. Sie meinte, dass die dicke Luft dieser Stadt, hervorgerufen durch zahllose Diesel-Generatoren und die wohl ebenfalls unter Sauerstoffmangel leidenden Fahrzeuge, ihrer Lunge auch nicht zur Besserung verhelfen. Wir entschlossen uns daher fuer die unter Touristen gemeinhin als "Baby-Trek" bekannte Wanderung: gemaess Fuehrer dauert sie 4-5 Tage, ueberwindet nur einen Pass von 4000m und laesst sich problemlos ohne grossen Aufwand selber realisieren, da man in Doerfern bei Familien uebernachten kann. Was wir dabei erlebten, liess Karin beinahe ihre andauernde Erkaeltung und den ersten Frust vergessen.

Karin erreicht den PassDie Route fuehrte nach wie vor durch staubig steiniges Gelaende. Meist fuehrte unser Weg von einem Tal ueber Paesse in ein anderes. Und immer wieder faszinierte uns der Blick von dieser unwirtlichen Gegend hinab, wo sich vor uns eine gruene Flaeche auftat. Diese Landschaft, die uns nach unserer Ankunft beinahe etwas enttaeuschte, wird hier immer wieder durch gruene Inseln unterbrochen: wo auch immer ein Bach aus den Bergen herunterkam, entstanden Doerfer. Mit ausgekluegelten Bewaesserungssystemen und Terrassen bauen hier die Bewohner das Notwendigste an. Manchmal scheinen sich nur eine Hand voll Familien eine solche Oase zu teilen. Und so hausten wir dann bei diesen Familien. Wahrend sich einige schon richtiggehend auf die Touristen eingestellt und eigentliche Gasthaeuser gebaut haben, wirkt es bei anderen noch sehr improvisiert. In Yangtang schlafen wir in einfachsten Raeumen auf Matratzen. Der Raum ist fuer unsere Verhaeltnisse wenig appetitlich. Dafuer ist der Empfang um so herzlicher. Sofort nach Ankunft wird uns Tee und Brot serviert. Znacht gibt's in der traditionellen ladakhischen Kueche. Unzaehlige Kupfertoepfe zieren den Raum, werden aber offenbar nur fuer spezielle Anlaesse benutzt. Gekocht wird mit Gas und auf einem mit Yakmist angefeuerten Ofen. Als wir am naechsten Morgen aufs Dach steigen, um die Umgebung zu betrachten, erfuhren wir, dass wir offenbar in den Schlafraeumen der Familie untergebracht waren, waehrend die Eltern mit der juengsten Tochter die Nacht auf dem Dach verbrachten.

Kueche einer Ladakhi FamilieBuddhistisches Kloster

Buddha in Thiksey / Bouddha a ThikseyLadakh wird auch "Little Tibet" genannt. Der tibetische Buddhismus ist entsprechend allgegenwaertig: ueberall trifft man auf Gompas (Kloester), Stupas (kleinere religioese Bauten), Gebetsfahnen und eben auch die stets rot bekleideten Moenche. Und natuerlich haengt allerorten das Portrait des 14. Dalai Lama. Obwohl wir schon einige Kloester gesehen hatten, stachen die zwei, die wir waehrend unseres Treks besuchten, dennoch heraus. Schon in Likir, dem Ausgangspunkt unserers Treks, hatten wir von weitem eine riesige Buddha-Statue im Abendlicht glaenzen sehen. Tatsaechlich ist sie ca. 3-4 Stockwerke hoch. Von Yangtang her unternahmen wir dann noch einen Abstecher zum Kloster Rinzong. Da es nur beschwerlich per Strasse erreichbar ist, waren wir beinahe die einzigen Touristen am Ort. Entsprechend freundlich und persoenlich war denn auch der Empfang durch die anwesenden Moenche. Als wir uns einfach mal hinsetzten, um uns von der Wanderung etwas auszuruhen, vergingen nur wenige Augenblicke, bis uns Buttertee und Aepfel offeriert wurden. Obwohl das gebrochene Englisch unseres Gastgebers keine wirkliche Unterhaltung zuliess, sassen wir zu dritt da, tauschten ein paar Informationsbrocken aus und laechelten. Man zeigte uns Gebetsraeume, Tempel, Mandala. Und als wir uns schon auf den Heimweg machen wollten, lud uns ein Moench gar noch in seine Zelle ein. Erneut gab es fuer Michi kein Entrinnen: auf dem dem kleinen Kohleherd koechelte bereits Wasser, die Kanne mit dem salzig ranzigen Buttertee stand bereit...

Aprikosen sind da schon eine willkommenere Erfrischung. Es ist Erntezeitin Ladakh. In den Doerfern leuchten die Daecher orange, da hier die Aprikosen zum Trocknen ausgelegt werden. Wann immer wir an einem Baum vorbeikamen, der noch ein paar reife Fruechte trug, musste ich Karin beinahe davon abhalten, diesen zu besteigen. Hier versuchte sie zu stiebitzen, da schuettelte sie noch einen Ast. In Ang trafen wir dann endlich auf eine Frau, die eben am Ernten war. Als sich Karin naeherte, zoegerte sie nicht lange, nahm Karins Hut, und fuellte ihn grosszuegig mit Aprikosen und Aepfeln. Als Karin bezahlen wollte, zeigte die junge Frau auf ihre zerschundenen Fuesse. sie wollte nicht Geld, sondern etwas Heilendes. Da mussten wir peinlicherweise feststellen, dass wir nicht nur Teile unserer Apotheke (Wundcreme) in Lausanne vergessen hatten, sondern nicht einmal eine Seife mit uns fuehrten. Das war natuerlich schwierig zu erklaeren. Und so akzeptierte sie doch noch Bargeld. Mit frischen Fruechten vollgestopft nahmen wir den letzten Pass in Angriff. Als wir den Trek (nach nur drei Tagen) abschlossen, waren die Berge rund um uns herum schon in wunderbares Abendlicht getaucht. Es blieb uns nur mehr wenig Zeit, um eine Unterkunft zu finden.

Es blieb uns die Rueckreise von Lamayuru nach Leh - gute 120km. Natuerlich hatten wir wegen eines weiteren Klosterbesuchs den Bus laengst verpasst. Doch Trucks hatten sich schon mehrfach als gute Alternative erwiesen. Waehrend wir da am Strassenrand so warteten, diskutierten wir, welche Sorte wir denn nehmen wollten. Die Erfahrung hatte gezeigt, dass nicht alle gleich geraeumig und komfortabel waren, denn meist musste die Fuehrerkabine noch mit zwei, drei anderen Mitreisenden geteilt werden. Doch in einem Punkt waren wir uns einig: kein Brennstofftransporter! Wenn wir denn schon die steilen Berghaenge runterstuerzen mussten, so wollten wir uns doch noch eine minimale Ueberlebenschance fuer nach dem Aufprall behalten ;-). Doch die Sonne hatte ihren Hoehepunkt ueberschritten, und mit ihr sanken unsere Bedenken. So kam es halt, dass wir unseren Heimweg dennoch mit 12'000 Litern Diesel im Ruecken antraten.

Die Fahrt gestaltete sich spektakulaer, wie wir es erwartet hatten: zahllose Spitzkehren und die teilweise schlecht bis gar nicht befestigte Fahrbahn forderten Mensch und Maschine. Hin und wieder schlug der Chauffeur sein Gefaehrt bis zum Anschlag ein, und wir waren uns dennoch nicht sicher, ob's fuer die Kurve reichen sollte (er, der Profi, natuerlich schon). Ueberhol- und Kreuzmanoever waren Kampf um wenige Zentimeter - stets natuerlich mit dem Hupen der nachfolgenden Lastwagen begleitet, die ueberhaupt keinen Grund fuer die zoegerliche Fahrweise sahen. Als die Strecke dann flacher wurde, entspannte sich das Klime in der Kabine. Es wurden hin und wieder (fuer unsere Beduerfnisse zu viele) Pausen eingelegt. Nach den ueblichen Fragen, woher wir kommen, was wir machen, wohin die Ladung geht etc. kamen interessantere Fragen auf. Ob das unser Bargeld sei, das da Karin um den Bauch haette? Ob wir Alkohol trinken, rauchen? Irgendwie war mir das nicht so sympathisch. Immerhin kaute er den Tabak nur, und rauchte ihn nicht - er nahm die "No Smoking!" Anzeigen an seinem Lastwagen wohl ernst.

Die Sonne stand schon tief, und wir hatten noch nicht einmal die Haelfte des Heimweges geschafft. So heftig die Maschine roehrte und russte, sobald es auch nur ein klein wenig bergauf ging, ueberschritt die Nadel die 20km/h nicht. Und da wendete unser Fahrer mitten im Niemandsland sein Gefaehrt und legte einen Halt ein. Ob er denn umkehre? Nein, nur eine kleine Pause und Nachtessen. Nicht was wir vorhatten. Wir wollten zurueck nach Leh, ins Hotel. Da begann er dann auch schon, auf der der Strasse abgewandten Seite sich mit dem Schraubschluessel an einem Rohr zu schaffen zu machen. Derweil photographierte ich etwas die Landschaft - das warme Licht der untergehenden Sonne verlieh der Szene immerhin eine interessante Optik. Doch schon fuchtelte unser Chauffeur wie wild: von dem, was er da tat, wollte er offenbar keine Bilder haben. Leuchtete mir spaeter auch ein: er zapfte von der fuer die Armee bestimmten Ladung fuer die eigenen Zwecke ein wenig ab...

Nach getaner Arbeit lud er uns ein, mit ihm ein paar Kekse zu teilen. Aber warum wollte er diese ausgerechnet auf jenem Stein weit hinter dem Lastwagen verspeisen? Gleichzeitig stieg sein Helfer in die Kabine und verriegelte alle Fenster. Uns wurde es etwas mulmig: unser ganzes Gepaeck lag da drin, inklusive einem Haufen Bargeld! Unter dem Vorwand kalt zu haben, stiefelte ich zum Truck zurueck und stieg auf der Fahrerseite zu. Beruhigt stellte ich fest, dass die Saecke noch unberuehrt an ihrem Platz waren. Weniger beruhigend fand ich jedoch die wahren Aktivitaeten des Co-Piloten: nervoes hantierte er an einem monstroesen Benzinkocher, der seine russigen Flammen bis unter die Decke warf... Als am Horizont eine Staubwolke die Ankunft eines Fahrzeuges ankuendigte, zoegerten wir keine Sekunde. Nachdem wir uns artig fuer den Transport bedankt hatten, rannte Karin zum Strassenrand, waehrend ich das Gepaeck aus der Fuehrerkabine holte. Das Privatfahrzeug (eine Seltenheit!) fuhr tatsaechlich bis nach Leh. Dankbar stiegen wir ein und liessen uns bis vor unser Guesthaus chauffieren. Selten hatten wir eine abendliche Autofahrt so genossen!

Gompa, Leh (Ladakh)Unterdessen haben wir schon wieder ein paar Ruhetage in Leh verbracht - Karin haelt's kaum noch aus. Unser Bus Richtung Sueden geht erst morgen. In der Region von Spiti werden wir dann hoffentlich noch einmal einen Trek unternehmen. Dieser sollte abwechslungsreicher sein, fuehrt er doch nicht nur ueber einen 4800m hohen Pass, sondern auch durch 2500m tiefer gelegene Waelder.

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